Zucht, Kampf und Meuchelmord
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15. November 2020 um 14:40 -
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Crusader Kings III
Zucht, Kampf und Meuchelmord
Crusader Kings III bietet eine große Spielwelt, die vom entlegenen Island, zu den Savannen Afrikas, bis zu den hohen Gipfeln des Himalayas reicht. Unzählige Völker, Kulturen, Religionen, Grafschaften, Herzogtümer und Reiche sind auf dieser Spielkarte zu finden. Typisch für einen Paradox-Titel ist es zum einen möglich, vom Spiel speziell vorgeschlagene Nationen zu spielen, oder einen beliebigen Herrscher auf der Weltkarte auszuwählen. Dabei ist das Spiel in zwei zeitliche Szenarien unterteilt. Das Erste startet im Jahr 867 und das andere 1066. Beide Szenarien lassen sich bis ins Jahr 1453 spielen. Wahlweise lässt sich diese Begrenzung auch deaktivieren, dann sind jedoch die Erfolge nicht verfügbar.
Inhaltlich bietet das Game unzählige Verwaltungs-, Kriegs- und Spieloptionen und bietet dadurch einen großen Wiederspielwert. Ein Tutorial erklärt hierbei wichtige Grundfunktionen, was eine Verbesserung zu den Tutorials anderer Paradox-Games darstellt. Das Spiel verfügt zudem über Multiplayer-Funktionen. Für die nächsten Jahre verspricht der Entwickler Paradox des Weiteren regelmäßige Updates.
Das Gameplay
Für Spieler, die noch nie ein Strategiespiel dieser Art gespielt haben, mag das schnöde Klicken auf Textfelder, Symbole und Karten auf den ersten Blick wahnsinnig langweilig und trist wirken, doch das ist es bei Weitem nicht. Hat man sich einmal auch nur ein Wenig in die vielfältigen Spielprinzipien von Crusader Kings III eingearbeitet, so wartet auf einen ein Gameplay-Erlebnis, das man in keinem anderen Spiel findet. Das Spiel gibt dem Spieler kein konkretes Ziel vor, nur um einen Erben sollte man sich kümmern, damit man nicht den „Game Over“-Screen zu sehen bekommt. Ansonsten ist der Spieler völlig frei in seinen Entscheidungen.
Eine jede Runde von Crusader Kings III beginnt mit der Auswahl seines Herrschers. In diesem Fall entscheiden wir uns für König Alfonso IV., der noch eine Rechnung mit seinen beiden Brüdern zu begleichen hat. (Quelle: privat)
Möchte man jetzt auf Expansionspolitik setzen? Sollte man dafür nicht erstmal mehr Bündnisse schließen? Wie sieht es mit der inneren Stabilität meines Reiches aus? Plant jemand einen Umsturz? Wie besetze ich nur den freien Ratsposten? All diese Fragen überlässt das Spiel einem selbst und es ist großartig. Für jemanden, der diese Art Spiel kennt, ist es nichts Neues, aber es macht auch für diesen immer noch einen großen Teil der Faszination am Strategie-Genre aus.
Die Werkzeuge, die der Spieler bei Crusader Kings III für seine persönlichen Ambitionen von den Entwicklern in die Hand gelegt bekommt, sind dermaßen vielfältig, dass man sie niemals alle während einer Partie einsetzten oder nutzen könnte. Das wäre auch überhaupt nicht sinnvoll, da das Spielgeschehen einem stets abverlangt eine neue Lösung für ein aufkommendes Problem zu finden. Auch hier stellen sich dem Spieler dann wieder viele Fragen: Ist mein Rivale zu gefährlich und muss ihn ermorden? Oder wäre es sinnvoller ihn auf meine Seite zu ziehen, die Rivalität zu begraben und ihn als Freund zu gewinnen? Welche Option hat die größte Erfolgswahrscheinlichkeit?
Fast 100 Jahre später herrscht der Enkel Alfonsos nun als Kaiser Pedro über das von seinem Vater ausgerufene Kaiserreich Hispanien. Durch zahlreiche Kriege und Intrigen erstreckt sich sein Reich mittlerweile sogar nach Nordafrika. (Quelle: privat)
Crusader Kings III wird zu keinem Zeitpunkt langweilig, wofür auch die verbesserte KI sorgt. Verbündete agieren intelligenter und können tatsächlich kriegsentscheidend sein. Sogar die Feind-KI agiert nun überaus kompetent. Im Test gab es sogar mehrere Situationen in denen sich eine schwächere KI über einen längeren Zeitraum verteidigen konnte, indem sie passiv agierte und aussichtslosen Schlachten aus dem Weg ging. Die KI nutzte unser Problem einer mauen Kriegskasse aus und zwang uns beinahe dazu, das Vorhaben zu beenden, da der Armeeunterhalt einfach zu viel Gold verschlang und der Schuldenberg wuchs.
Vereinzelt kam es aber dann doch zu KI-Aussetzern, wenn auch seltener als noch im direkten Vorgänger des Spiels. Es kommt eben manchmal vor, dass die KI sich plötzlich entscheidet in See zu stechen, während eine feindliche Armee ihre Hauptstadt belagert. Dennoch sind solche Fehler so selten, dass sie nicht stark ins Gewicht fallen.
Spieldesign
Crusader Kings III sieht auf den ersten Blick einfach gut aus. Das Design der Eingabefenster, die 3D-Charaktere, die kleinen Soldaten, die über die Spielkarte laufen und Armeen symbolisieren, das alles sieht gut, teilweise sogar sehr gut, aus. Das Problem liegt, wie so oft, im Detail. Zoomt man einmal komplett auf die Karte und schaut sich eine Burg, Stadt oder Sehenswürdigkeit (wie die Pyramiden oder das Kolosseum) aus der Nähe an, so fällt auf, wie detailarm die Landschaften eigentlich sind.
Auch die Wassertexturen sind nicht unbedingt zeitgemäß. Vergleicht man das Wasser mal mit dem aus Anno 1404, so sieht es in dem Klassiker vor 11 Jahre tatsächlich ein bisschen besser aus, als das des frisch erschienenen Crusader Kings III. Hier wäre mehr drin gewesen.
Die Kreuzzüge sind eines der Highlights von Crusader Kings III, laufen manchmal aber auch ziemlich chaotisch ab. In diesem Fall scheint alles richtig zu laufen, immerhin haben die Kreuzfahrer fast 20.000 Mann mehr mobilisiert. Mesopotamien wird schon bald wieder christlich sein! (Quelle: privat)
Unter dem Strich sieht Crusader Kings III immer noch ordentlich aus, aber ein paar mehr Texturen, mehr Gebäude auf der Karte und eine sich ständig verändernde Karte im Stil eines Total Wars (Neue Gebäude oder Betriebe verändern das Erscheinungsbild einer Provinz), hätte dem Titel gut gestanden.
Aus technischer Seite gibt es mit Crusader Kings III praktisch keine Probleme. Das Spiel wurde auf zwei Systemen getestet. Auf meinem Gaming-PC mit einem Ryzen 5 2600x und einer RTX 2070 lief das Spiel auf höchsten Einstellungen immer mit mindestens 144 FPS, Abstürze gab es nicht ein einziges Mal zu verzeichnen. Auf meinem Ranz-Laptop mit einem miesen Intel Core i5-4210U und einer miesen GTX 940M und 8GB RAM sind bei der Grafik zwar schon Abzüge zu machen, aber das Spiel läuft dafür immer noch flüssig. Einmal konnte man hierbei auch einen Absturz verzeichnen.
Atmosphäre
Crusader Kings III zaubert trotz kleinerer optischer Fehlerchen ein atemberaubendes Mittelalter auf den Bildschirm. Die musikalische Untermalung zieht den Spieler in diese Welt voller Tot, Mord und Intrigen. Die Soundeffekte sind allesamt gut und unterstützen dieses unbeschreibliche Gefühl, das man beim Spielen bekommt. Ein Mix aus Nervenkitzel, Anspannung, Höhepunkten und Tiefschlägen, das macht dieses Game aus und schafft eine wunderbare Atmosphäre. Und ruft der Papst zum nächsten Kreuzzug auf, so bekommt man beim unverwechselbaren Soundtrack zu dieser Aktion, einfach Lust direkt nach Jerusalem zu ziehen und diesen „Ungläubigen“ auf den Deckel zu geben. Beim Spielen von Crusader Kings III kann man sich tatsächlich wie ein mittelalterlicher Herrscher fühlen. Die Rollenspiel-Seite des Games unterstützt diese Wahrnehmung nochmal ungemein.
Eine große Schlacht steht bevor! 15.000 hispanische Soldaten marschieren auf das anrückende überlegene Verbundheer der Muslime zu. Eine Niederlage scheint wahrscheinlich, doch es wäre nicht das erste Gefecht, das die Hispanier in Unterzahl gewinnen. (Quelle: privat)
Anfängerfreundlich? Wohl kaum!
Spiele von Paradox sind und waren nie wirklich einsteigerfreundlich. Crusader Kings III gehört allein deswegen schon nicht zu der Art Spielen, die man mal eben so erlernt. Doch der Titel macht es Einsteigern zumindest leichter in das Spiel zu finden. Der zweite Teil der Reihe versagte in seinem Tutorial tatsächlich noch dabei überhaupt erst alle Grundfunktionen des Spiels zu erklären. Das Tutorial in Crusader Kings III schafft es endlich alle notwendigen Funktionen zu erklären. Zudem haben die Entwickler darauf geachtet ein Wiki zu erstellen, in dem man alle gewünschten Informationen mit ein oder zwei Mausklicks erhält. Die einzige wirkliche Hürde stellt immer noch die Präsentation dieser Erklärungen im Tutorial dar. Ewig lange Textfenster durchzulesen, könnte durch Sprechereinlagen noch etwas aufgelockert werden.
Die Kampagne
In Crusader Kings III gibt es keine Kampagne im klassischen Sinne, es gibt keine richtige Story, aber es gibt Herrscher, die, im Anbetracht ihrer geschichtlichen Bedeutung oder einer besonders interessanten machtpolitischen Situation, eine eigenständige Präsentation spendiert bekommen haben. So zum Beispiel Wilhelm der Eroberer, der zum Start seiner Kampagne aber lediglich der Herzog der Normandie ist und den Konflikt mit dem, aus seinen Augen, Thronräuber Harold Godwinson sucht. Der Krieg um Englands Thron, der in unserer Welt am 14. Oktober 1066 mit der Schlacht von Hastings seinen Höhepunkt nahm, ist nur eines dieser speziell aufbereiteten Szenarien. Die Reconquista Andalusiens ist hier ebenfalls besonders hervorzuheben, da sie einen Konflikt unter Brüdern mit dem Kampf gegen die muslimischen Reiche verbindet.
All diese Kampagnen haben nichts an sich, das sie vom Rest der spielbaren Herrscher abhebt, aber das braucht es auch gar nicht. Allein der historische Hintergrund reicht für eine wunderbare Geschichte. Der Spieler kann im wahrsten Sinne die Vergangenheit umschreiben und das ist schon großartig genug. Mehr brauch es nicht um von diesen Kampagnen gefesselt zu sein. Selbst bei Herrschern, die keine spezielle Inszenierung spendiert bekamen kommt dieses Gefühl auf.
Die Rollenspiel-Aspekte des Spiels verstärken diesen Effekt abermals und es ist tatsächlich spannend, Entscheidungen nicht immer nach den Gesichtspunkten des Sinns und Nutzens, sondern ganz nach den charakterlichen Eigenschaften des aktuellen Herrschers zu spielen. Dieser Spielstil ist an sich rein optional, abgesehen davon, dass man beim Abweichen von charakterlichen Eigenschaften langsam aber sicher auf ein höheres Stresslevel kommt, was aber durch einen Gang ins Bordell oder ein Saufgelage schnell wieder gelöst ist.
Kaiser Pedro ist ein begabter Diplomat, weswegen er sich in diesem Bereich besonders entwickelt. Mit Hilfe von Lebenswandel-Punkten können wir diese und andere Fähigkeiten im Laufe seines Lebens verbessern und zudem hilfreiche Boni kassieren. (Quelle: privat)
Multiplayer
Der Multiplayer rockt. Anders lässt sich das nicht sagen. Die Multiplayer-Funktionen des Spiels sind gut. Spieler haben die Möglichkeit Spielregeln anzupassen, eigene Regeln festzulegen. Hat man die richtigen Leute zur Hand, so kann man im Multiplayer dieses Games hunderte Stunden Spaß haben. Wolltet ihr denn nicht auch schonmal den einzigen Erben eures Freundes entführen, nur um eine Heirat zwischen seinem Erben und eurer Tochter zu erzwingen? Oder hattet ihr schonmal Lust die Grafschaften eurer direkten Mitspieler zu brandschatzen? Nun, im Multiplayer von Crusader Kings III ist das alles möglich. Ja, hin und wieder kommt es dabei mal zu verbalen Auseinandersetzungen, aber die sind spätestens beim nächsten gemeinsamen Kreuzzug gegen Jerusalem schon wieder vergessen.
Preis/Leistung
Crusader Kings III bietet in seiner Grundversion mehr als sein Vorgänger. Hat man sich einmal durch das Tutorial gekämpft, so wartet auf einen hunderte Stunden Spaß. Der Preis von 30 bis 50 Euro (je nachdem wo man es kaufen möchte) geht daher absolut in Ordnung. Von irgendwelchen „Deluxe-Editions“ sollte man aber erstmal die Finger lassen. Wartet bis die ersten DLCs erscheinen und entscheidet an der Qualität dieser, ob ihr noch mehr Geld ausgeben wollt. Bis dahin habt ihr in der Grundversion ohnehin mehr als genug zu tun.
Innovation
Die Entwickler bei Paradox haben den Rotstift genau an den richtigen Stellen angesetzt und einige Mechaniken, wie beispielsweise das Verschiffen von Armeen, angemessen vereinfacht. Die Verbesserung der Spielmechaniken ist also durchaus spürbar, auch wenn sie eher durch das weglassen von bereits vorhandenen Mechaniken gekommen ist. Von einer richtigen Innovation kann man daher nicht sprechen, aber von einer sinnvollen Optimierung.
Das Einführen der 3D-Modelle war ein wichtiger und richtiger Schritt und mit das innovativste Feature des Spiels. Dadurch baut man eine viel bessere Verbindung zu einzelnen Charakteren auf und kann sich Zusammenhänge besser merken, da man sie mit einer Person verbinden kann.
Communityverbundenheit
Die Paradox-Studios sind für ihre umstrittene DLC-Politik berühmt und berüchtigt. Dabei sind sie der Community in den letzten Jahren auch nicht wirklich entgegengekommen. Lobenswert ist, dass mit jedem DLC auch ein kostenloses Update für alle Spieler mit sich kommt, was bei anderen Paradox-Titeln auch die Grundversionen der Spiele verbesserte. Ebenfalls ist der Mod-Support von Paradox mittlerweile wirklich großartig und es ist kinderleicht Mods zu aktivieren und zu kombinieren. Hier agiert Paradox weiterhin vorbildlich.
Fazit
Crusader Kings III ist das Strategiespiel mit den besten Rollenspiel-Elementen und ein würdiger Erbe für den zweiten Teil der beliebten Reihe aus dem Hause Paradox. Die Mängel liegen bei diesem Spiel in vielerlei Hinsicht lediglich im Detail. Bei der Präsentation des Tutorials und dem Detailgrad der Spielkarte wären weitere Verbesserungen wünschenswert gewesen, doch diese Mankos sind absolut verschmerzbar. Für jeden der das Mittelalter und Strategietitel liebt und zudem etwas für Rollenspiel übrig hat, ist dieses Spiel auf jeden Fall sein Geld wert. Die Grundversion des Spiels sollte für den Anfang aber mal genügen. Hat man dann mal 100 Stunden mit dem Game verbracht und immer nicht genug, so kann man über den Kauf der nach und nach erscheinenden DLCs nachdenken.
Wertung
Umfang: 9/10
Gameplay: 10/10
Spieldesign: 7,5/10
Atmosphäre: 10/10
Einsteigerfreundlichkeit: 7,5/10
Kampagne: 10/10
Multiplayer: 9/10
Preis-/Leistung: 7,5/10
Innovation: 7,5/10
Communityverbundenheit: 7/10
Gesamt: 85/100
Über den Verfasser:
Flo aka Stack (18) ist Student,
Spiele-Enthusiast, sowie Lokaljournalist.
Seit dem 16. Februar 2019 ist er
Mitglied der EGM-Community.
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