Biomutant: Ein klassischer Fall von Biomüll
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29. Mai 2021 um 16:00 -
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Biomutant: Ein klassischer Fall von Biomüll
-Wie ein vielversprechender, bunter Open-World-Titel mit einem interessanten Setting zur öden Dauer-Tristesse verkommen konnte-
Biomutant sah in den ersten Trailern, die bereits im August 2017 veröffentlicht wurden, einfach fantastisch aus. Knallbunt, irgendwie verrückt, dazu noch voller abgefahrener Waffen und Charaktere. Die Versprechungen der wenigen Entwickler des kleinen Studios Experiment 101, ehemalige Mitarbeiter der Avalanche Studios, die zum Beispiel für die Videospiel-Reihe Just Cause bekannt sind, brachten einen ersten, damals noch kleinen Hype für Biomutant hervor. Der Support durch das etablierte Publisher-Team von THQ Nordic schaffte Vertrauen in das Projekt und dessen Erfolg. Nachdem der Release schließlich auf Mai 2021 verschoben wurde, handelten viele Spieler und die Fachpresse das Game als das möglicherweise beste Open-World-Spiel des Jahres 2021. Veröffentlichte Gameplay-Trailer und die ersten Anspiel-Sessions für Tester, die dann größtenteils positive Previews hervorbrachten, verstärkten den Hype um Biomutant und schraubten die Erwartungshaltung vieler Gamer nach oben.
Der erste Trailer zu Biomutant weckte das Interesse vieler Spieler. Der Look von Biomutant strahlte schon damals eine packende Atmosphäre aus und machte Lust auf mehr. Auf der gamescom 2017 konnte man das Spiel, kurz nach Ankündigung des Titels, auch direkt testen. (Quelle: IGN YouTube-Channel)
Doch nach dem Hype und den großen Erwartungen kam nun der ernüchternde Release. Zwar haben sich die Entwickler keinen Skandal im Stil von No Man`s Sky geleistet und alle versprochenen Features des Open-World-Rollenspiels auch tatsächlich zu Release ins Spiel implementiert, doch die Umsetzung dieser kann in den meisten Fällen absolut nicht überzeugen. Das Spiel hat beispielsweise ein Moralsystem. Nicht wirklich etwas Neues für ein Game, das auch Rollenspieler ansprechen soll. Moralsysteme können zusammen mit den passenden Charakteren und einer interessanten Story für viel Spieltiefe sorgen. Doch das Moralsystem von Biomutant wirkt irgendwie platonisch und einfach schlecht. Zum einen wird dem Spieler indirekt nahegelegt den "guten" Weg zu gehen, zum anderen gibt es in keiner Form eine Grauzone zwischen diesen Seiten. Das Moralsystem ist also schonmal für die Tonne.
Ähnlich verhält es sich mit dem übrigen Gameplay. Zwar hat das Spiel eigentlich ein ziemlich cooles Kampfsystem mit zahlreichen Kampfvariationen, doch wird dieses nie wirklich herausgefordert. Die Gegner-KI ist viel zu simpel, selbst Bossgegner lassen sich mit einfachen Standard-Attacken besiegen. Sogar die Boss-Fights sind schlichtweg lahm und monoton. Im Allgemeinen ist das ganze Spiel ein einziges Monotonie-Fest. Das verrückte Setting einer Postapokalypse, die nach dem Aussterben der Menschheit spielt, in der Tiere eine Zivilisation aufgebaut haben, mag zwar quietschebunt sein und auf den ersten Blick verrückt und neu wirken, auf den zweiten Blick ist dieses Setting in der großen Spielwelt aber nicht wirklich interessant umgesetzt. Zum einen erfährt man in der Welt von Biomutant so gut wie nichts über den Hintergrund der Apokalypse, die Gebäude in der Welt sind, bis auf die Loot-Möglichkeiten, völlig leer. Es gibt Nichts in Biomutant, das wirklich auf die untergegangene menschliche Zivilisation und Kultur schließen lässt. Abgesehen von von den verschiedenen Clans und ein paar netten (und nervigen) Kalendersprüchen, die praktisch der einzige Inhalt der "Dialoge sind", erfährt man ebenso wenig über die neue Zivilisation der Tierwesen. Würde man die lustigen Tiere also durch menschliche Charaktere austauschen, so wäre das einzige was man verliert der knuffelige Look der Tierchen. Das Setting verleiht der Welt also keine Tiefe und das ist nie ein gutes Zeichen für ein Spiel, das sich "Rollenspiel" schimpft.
Abgefahrene Charaktermodelle und Waffen, ein abgefahrenes Setting. Leider wird mit dem Potential, welches dieses Szenario bietet, nur wenig gemacht. Die Welt hätte deutlich mehr Tiefe vertragen können, um der Geschichte mehr Hintergrund und Gewicht zu verleihen. (Quelle: IGN.com)
Ein noch viel größeres Problem ist allerdings die eigentliche Hauptbeschäftigung in Biomutant: Loot finden, sammeln und mit diesem eigene Waffen und Outfits bauen und verbessern. Grundsätzlich haben die Entwickler unglaublich viel Aufwand in die Vielfalt der Modifikationsmöglichkeiten gesteckt. Geworben wurde zum Beispiel teilweise mit mehr als 200.000 möglichen Anpassungsoptionen für bestimmte Waffen. Tatsächlich haben die Entwickler dieses Versprechen gehalten. Die Anpassungsoptionen sind vielfältig, verrückt (wie so vieles in diesem Spiel) und es lassen sich wirklich fantastische Dinge zusammenbauen, doch hat all das auch einige Schwächen. Zum einen ist das Craftingmenü nur schwer zu bedienen. Die Menüsteuerung ist nicht so intuitiv wie in einem Witcher 3, komplizierter als es sein dürfte und schlichtweg unpraktisch. Der Vergleich mit Wicher 3 mag unfair sein, doch haben die Entwickler sogar mit diesen Gegenüberstellungen zu jenen großen, bekannten Titeln geworben. Hierzu später mehr.
Das beste an Biomutant ist wohl die wunderschöne Spielwelt, die zwar häufiger mal ein paar matschige und verschwommene Texturen verstecken muss, aber sonst wirklich toll anzusehen ist. Das trägt auch einen großen Teil zur Atmosphäre des Spiels bei, die sonst unter einigen Schwächen zu leiden hat. (Quelle: PCGamer.com)
Werfen wir erstmal noch einen Blick auf das, was in Biomutant, neben dem großen Angebot an Loot und ausgefallenen Charaktermodellen, noch am besten funktioniert: Die Optik. Biomutant sieht einfach gut aus. Es ist bei Weitem nicht so beeindruckend wie zum Beispiel die Grafik von Cyberpunk 2077, oder von Red Dead Redemption 2. Die Spielwelt ist auch nicht vergleichbar mit den wunderschönen Steppen von Legend of Zelda: Breath of the Wild, doch sie ist ansehnlich und schafft schöne Bilder. Das erzeugt auch eine ansprechende Atmosphäre, die wirklich Interesse an der Welt und ihren Hintergründen wecken könnte, wenn da nicht der fehlende Background und die nervende Synchronisation wäre. Die Synchro von Biomutant wird von einem einzigen Sprecher, einem "Übersetzer", übernommen, da die mutierten Tiere eine eigene Sprache entwickelt haben. Das mag zwar Sinn ergeben, doch ist die Sprachlokalisation auf Dauer einfach viel zu monoton und wird langweilig. Jedes "Gespräch" verkommt zum uninteressanten Monolog, der mit einer absolut emotionslosen Stimme vorgetragen wird. Dadurch wird auch die Story, die knapp 13 Stunden einnimmt, einfach fad und sehr, sehr, sehr anstrengend. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen.
Ein nettes Feature ist übrigens die Charaktererstellung bei der die Eigenschaften des Charakters direkten Einfluss auf dessen Aussehen nehmen können. Ein Spieler, der sich zum Beispiel dafür entscheidet seinen Charakter weniger körperliche Stärke zuzuweisen, wird auch mit einem schmächtigeren Playermodel ausgestattet. (Quelle: xfire.com)
"Es wäre mehr drin gewesen" - diese Aussage lässt sich praktisch auf jeden Aspekt des Spiels anwenden. Das Entwicklerstudio, zugegeben sehr klein und erst seit 2015 selbstständig im Geschäft, hat viel versprochen, eigentlich alles umgesetzt und dennoch nicht das geliefert, was sich die meisten Spieler erhofft hatten. Die Erwartungen waren wohl einfach zu groß und der riesige Hype um das Spiel einfach nicht angemessen. Nun könnte man also sagen, dass die Spieler irgendwie selbst Schuld sind, wenn man nun von Biomutant enttäuscht ist und sich viel zu viel von diesem Game eines kleinen Entwicklerteams erhofft hat. Doch dieser Schluss wäre zu einfach.
An dieser Stelle wird nun das relevant, was oben schoneinmal kurz angerissen wurde: Die Vergleiche zu AAA-Titeln, die die Entwickler selbst in die Promotion gepackt haben. Dieses Aufbauschen und ständige Vergleichen zu diesen großen Titeln hat einfach eine extrem große Erwartungshaltung geschaffen. Man kann es den Spielern also nicht vorwerfen, wenn manche (also nahezu alle) enttäuscht davon sind, dass das Game weit unter ihren Erwartungen zurückgeblieben ist. Da ist dann jeder Fehler von Biomutant gleich doppelt schmerzhaft und ärgerlich. Biomutant kann in seinen besten Momenten Spaß machen, doch dann nur sehr kurz, nur sehr bedingt und auch nur, wenn man die Augen vor offensichtlichen Schwächen verschließt. Das Projekt war wohl einfach zu ambitioniert und ist ein letztendlich leider klassischer Fall von Biomüll geworden. Man kann noch irgendwas damit anfangen, aber am Ende wird dann halt doch nur ein Haufen Dreck daraus.
Wertung für Biomutant
Umfang: 7/10
Gameplay: 4/10
Spieldesign: 7/10
Atmosphäre: 7/10
Einsteigerfreundlichkeit: 6/10
Kampagne: 5/10
Preis-/Leistung: 5/10
Innovation: 5/10
Communityverbundenheit: 6/10
Gesamt: 58/100
Über den Verfasser:
Flo aka Stack (18) ist Student,
Spiele-Enthusiast, sowie Lokaljournalist.
Seit dem 16. Februar 2019 ist er
Mitglied der EGM-Community.
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