It Takes Two | "Komm, wir retten eure Ehe!"
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Relly -
26. Juni 2021 um 19:00 -
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It Takes Two | "Komm, wir retten eure Ehe!"
Ein neues Koop-Meisterwerk
Wer erinnert sich noch vor fast genau 3 Jahren an das auf Zweispieler-Koop ausgelegte Spiel ‘A Way Out’, bei dem man jeweils die Rolle eines Gefängnisinsassen übernahm und gemeinsam mit dem mit eingebuchteten Mitspieler zusammenarbeiten musste?
Dass das Gameplay toll funktionierte und einige kreative Einfälle zu bieten hatte, überraschte nicht, denn Hazelight-Chef Josef Fares und viele andere Mitglieder seines Teams entwickelten zuvor das märchenhafte Abenteuer Brothers: A Tale of Two Sons.
Zwar wurden die beiden Brüder in dem Spiel mit jeweils einem der beiden Analogsticks des Controllers gesteuert, doch wer hier unter keinen Berührungsängsten litt und keine Scheu vor emotionalen Ausbrüchen während der bewegenden Story hat, konnte das Spiel mit einem vertrauten Partner zusammenspielen.
It Takes Two dreht sich um ein Paar Eltern, May und Cody, und ist ein bisschen wie "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft", wenn der Regisseur auf LSD gestolpert wäre. Die Welt ist nicht nur überdimensional riesig, sondern mit allen möglichen fabelhaften Apparaten und anthropomorphen Dingen erweitert. Die Reise von May und Cody von ihrem Gartenschuppen zurück zu ihrem Haus führt sie auf schillernde Umwege, vom Weltraum bis zu einem winzigen Nachtclub, der in einem Lüftungsschacht untergebracht ist (der natürlich von Horden anthropomorpher Leuchtstäbe begleitet wird) und dient als anhaltende, 10-stündige Explosion von Koop-Plattform-Glückseligkeit, die ständig neue Möglichkeiten der Interaktion und Unterhaltung heraufbeschwört.
Kuriose Waffen, wie ein Baumharz-Bespritzer oder einem Streichholzgewehr und Dialoge sind hier mittlerweile normal. (Quelle: xboxplay.games)
In einem Moment steuern Cody und May gemeinsam einen riesigen Bleistift, im nächsten wirken sie Zaubersprüche als Zauberer und schwingen Schwerter als Barbar in einem isometrischen Dungeon-Crawl. Bevor ihr verstanden habt, was dort eigentlich passiert, hüpft ihr durch das polternde, kristallisierte Innere eines Kaleidoskops und gerade wenn ihr denkt, dass es keine Ideen mehr gibt, wird Cody ein winziges Flugzeug durch die Baumwipfel wie den Millennium-Falken im Todesstern steuern, während May in einem Showdown im Street-Fighter-Stil gegen einen Sergeant der Einhörnchenarmee verwickelt wird. Es wechselt einfach nahtlos von einem brillant verrückten Gameplay-Stil zum Anderen, jeder mit seinen eigenen frischen Mechaniken und fast nichts davon wird jemals recycelt. It Takes Two ist wie eine Kiste Berliner im Pausenraum: Es kommt frisch an, wird genüsslich verschlungen und jeder hat eine andere Füllung inne.
Während viele der Elemente in den Umgebungen von It Takes Two einem sehr klaren Spielzweck dienen, sind viele Objekte aus keinem anderen Grund interaktiv, als weil sie Spaß machen. Das riesige Bassdrum-Kick-Pedal spielt für den Spielverlauf keine Rolle, aber ihr könnt trotzdem darauf herumstampfen und seinen Hammer in die turmhohe Trommel schlagen, einfach weil es Spaß macht. Die sorgsam aufgereihten Dominosteine im Pappburgenbereich mögen in jedem anderen Spiel eine statische Kulisse sein, aber in It Takes Two kann man sie alle umwerfen und einen unglücklichen kleinen Soldaten ins Bodenlose werfen, aus Spaß.
Auch Explosionen dürfen nicht fehlen. (Quelle: rockpapershotgun.com)
Umso bemerkenswerter, dass die Story von It Takes Two nie ihre Lockerheit verliert, sich aber auch nie zu sehr aufdrängt. Denn das wahre Juwel des Spiels ist ohnehin etwas anderes. Denn die geniale Genre-Mixtur erschafft einen perfekten Spagat aus Witz und Herz, ganz egal wie sehr man sich auch anstrengt, man schafft es nicht, sich bei diesem Spiel zu langweilen. Neben den ganzen Kulissen, unterschiedlichen Aufgaben, wechselndem Terrain und interessanten Charakteren schafft das Spiel durch gelungene, spannende und zugleich einfallsreiche Bosskämpfe und optionale Minispiele den Reiz, die vollen 10 Stunden Gameplay an einem Stück auszukosten.
Todesursache: Tod durch Staubsauger. (Quelle: Gamepro.de)
Das Ende der Geschichte wirkt ein wenig sehr aufgesetzt und kommt leider über ein klischeebeladenes Happy End Finale nicht hinaus. Bei einer Handlung, die sich mehr an eine ältere, erwachsene Zielgruppe richtet, hätte man hier etwas mehr erwarten können. Gerade, in den Szenen an denen man sich zuvor oft mehr Mühe mit unterschiedlichen Grautönen in schlecht laufender Kommunikation, Bedürfnissen, Wünschen und Erwartungshaltungen gegenüber seinem Partner gegeben hat.
Die lange, gezogene Hintergrundgeschichte schweift oft mehr oder weniger von der eigentlichen Handlung ab und gibt einem das Gefühl den roten Faden verloren zu haben. Doch nichtsdestotrotz ist das im Vergleich zu dem eigentlich dargebotenen Gameplay und dem exzellenten Humor ein Jammern auf hohen Niveau.
Bewertung
Umfang: 8/10
Gameplay: 9/10
Atmosphäre: 10/10
Spieldesign: 10/10
Einsteigerfreundlichkeit: 10/10
Multiplayer: 10/10
Kampagne: 7/10
Preis-/Leistung: 9/10
Innovation: 10/10
Communityverbundenheit: 9/10
Gesamt: 92/100
Über den Verfasser
Relly, 22,
ist beruflich in der IT tätig und
Science-Fiction Fan. In der Community ist er
seit dem 28.12.2019
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