Die Gentleminions - Ein gesellschaftliches Phänomen | Essay
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Stack -
21. Juli 2022 um 15:00 -
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Die Gentleminions
- Ein gesellschaftliches Phänomen -
Wir leben in ereignisreichen, schnelllebigen Zeiten. Die Welt ist im Wandel und es scheint immer mehr Probleme als Lösungen für eben jene zu geben. Im Osten herrscht Krieg, in Großbritannien gibt es auf einmal Temparaturen von über 40 Grad Celcius, in Deutschland kämpft man mit Inflation, Dürre und Hitzewellen, der Klimawandel klopft so langsam immer lauter an unsere Haustüren. Bei all diesen Ärgernissen, Krisen und negativen Entwicklungen könnte man eigentlich fast schon wahnsinnig werden. Wie erfrischend kann da doch ein Witz, ein Aufmunterung sein. Ablenkung, vielleicht auch manchmal Verdrängung, kann in schweren Zeiten ein Mittel sein um weitermachen zu können.
Ein Film oder eine Serie kann eine solche Ablenkung sein. Fiktion bietet Raum für Träumereien, Raum für Fantasie, Raum für eine sorglosere, friedlichere Welt. Und hier kommt dann eine Welt ins Spiel, in der ein kleiner, heranwachsender Superschurke mit seinen Minions lebt. Die Welt der Minions - Sie ist bunt, eigentlich frei von Tristesse, voller Witz und voller Kuriositäten. Hier kann man Kind sein. Das Zeichentrick- oder Animationsfilme nicht nur Kinder, sondern auch Teenager, Jugendliche und Erwachsene ansprechen können, das ist kein Geheimnis. Doch ist es normalerweise schon so, dass Heranwachsende nicht stolz davon berichten, dass sie in einem "Kinderfilm" waren. Kindliches ist ja eigentlich "uncool". Bei den Minions scheint es nun ganz anders zu sein.
Willkommen in einer Welt, in der alles ein wenig bunter, überdrehter und doch irgendwie schöner zu sein scheint. Willkommen in der Welt von Gru und den Minions. (Quelle: Deadline.com)
Im Anzug in den Latzhosen-Film
In den vergangenen Wochen waren die Kinos der Republik voller Anzugträger. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene sind einem TikTok-Trend gefolgt und haben sich zu den Aufführungen des zweiten Minions-Film getroffen. Minions 2 verdrängte Top Gun 2 von Platz 1 der Kino-Charts und wird vermutlich ohne Probleme der erfolgreichste Animationsfilm des Jahres werden. Über 500 Millionen Dollar hat der Film bereits eingespielt. Der Hype um die "Gentleminions" trägt hierzu seinen Teil bei. Wie es dazu kam, dass auf einmal auf aller Welt Anzüge bei dem Minions-Film getragen werden, ist dabei schwer zu erklären.
Erstmal bietet die Bezeichnung des Phänomens als Trend dabei eine Möglichkeit die Veränderungen und Strömungen in allen Bereichen der Gesellschaft entsprechend zu beschreiben. Trends sind beobachtbar, im sozologischen Kontext aber praktisch nicht oder nur schwer messbar. Was sich aber defintiv sagen lässt, ist, dass es sich mit diesem Trend so verhält, wie mit vielen anderen auch: Sie sind auf einmal einfach da und verschwinden meist ebenso schnell auch wieder.
Letztlich sind die Motive dafür, sich an diesem Trend zu beteiligen, schnell erklärt: Es geht darum dazuzugehören und sich gleichzeitig doch von der Masse abzuheben. Was erstmal wie ein Widerspruch klingt, ist an sich keiner. In unserer heutigen Zeit versuchen sich die Menschen immer mehr zu individualisieren. Es herrscht ein Hang zur Einzigartigkeit. Man möchte aus irgendeinem Grund irgendwie etwas Besonderes, Einmaliges sein. Über Trends, die mit der aktuellen gesellschaftlichen Praxis brechen, spiegelt sich dieser Individualisierungsdrang in der Welt wider. Und auch wenn viele versuchen in unterschiedliche Richtungen zu strömen, so landen die Meisten am Ende dann doch wieder in ihrer großen Bubble, in der alles "cool", "trendy", "new" und besonders einzigartig sein soll.
Etwa 30 "Gentleminions" in Halle vor einem örtlichen Kino. Herren im Anzug, Damen im Abendkleid oder Hosenanzug. (Quelle: dubisthalle.de)
An sich sind die "Gentleminions" dabei eine spaßige Idee. Mit seinen Kumpels sich in Schale werfen, mal auf richtigem High-Status-Boy machen und dann sich im krassen Gegensatz dazu einen Film anschauen, in dem kleine gelbe Wesen mit riesigen Augen und Latzhosen die Hauptrolle spielen. Manch ein Medium fasst das sogar schon als Provokation in Richtung der Eliten auf. Die Botschaft dabei: In der Einfachheit liegt viel Edles. Wobei das Magazin diese, doch etwas gewagte Interpretation jetzt nicht unbedingt als stichhaltig erachtet. Immer hin geht es ja eigentlich dann doch primär einfach nur um den Spaß mal ein anderes Kinoerlebnis mit einem Film zu haben, der die breite Masse perfekt anspricht. Und so drückt ein Anzug beim Tragen von Minions 2 eigentlich nicht viel mehr aus als "Ich bin hier und habe ne geile Zeit".
Für diesen Spaß bietet sich ein Minions-Film optimal an. Immerhin sind die Minions selbst ja praktisch die Meister des Blödelns und des Verkleidens. Ihnen zuzujubeln, Beifall zu klatschen und einem Gru nachzuahmen, fällt leichter als im Anzug in eine Vorstellung eines Disney-Prinzessinenfilms zu gehen, wo einem schon bei der ersten Gesangseinlage die Kino-Nachos hochkommen.
Chaos im Kinosaal
Doch wie so oft kommt ein Trend nie ohne Schattenseiten aus. In zahlreichen Kinos sind die "Gentleminions" mittlerweile nicht mehr gerne gesehen. Anzugträger bekommen Hausverbote. Der Grund: Manch einer kann sich nicht benehmen und entwickelt sich wird während dem Minions-Film zum Primaten zurück. Anders lassen sich die Popcorn-Massaker, die in so manchem Kinosaal veranstaltet werden, kaum erklären.
Hinzu kommen Störungen während des Films. Gerade Familien mit kleinen Kindern sind hier die Leidtragenden. Häufig kam es schon dazu, dass Eintrittsgelder zurückgefordert wurden. Kinobetreiber reagieren entsprechend und werfen Störenfriede massenhaft aus ihren Lichtspieltheatern. So mancher TikToker will aber nicht locker lassen und ruft zum "Sturm" auf Kinos, die hier eine harte Linie fahren, auf. Ein Irsinn, aber ein Irsinn mit dem fast zu rechnen war.
Eine einzige Verwüstung im Filmpalast am ZKM in Karlsruhe: "Gentleminions" hinterlassen nach dem Film eine Spur des Chaos. Kinobetreiber reagieren entsprechend auf das Verhalten. (Quelle: Filmpalast am ZKM)
Ein paar Worte zum Film
Was bei der ganzen Debatte um die "Gentleminions" in den Hintergrund rückt ist der Film selbst. Dieser spielt in den 70er Jahren. Gru, die Hauptfigur aus den "Ich einfach unverbesserlich"-Filmen ist hier 12 Jahre alt. Als Fan einer Superschurken-Gruppe, bekannt als die Fiesen 6, schmiedet Gru einen Plan, böse genug zu werden, um sich ihnen anschließen zu dürfen. Als die Fiesen 6 ihren Anführer, den legendären Kämpfer Wilder Knöchelknacker, feuern, bewirbt sich Gru darum, ihr neuestes Mitglied zu werden, wird jedoch abgelehnt. Daraufhin stehlen Gru und die Minions ihnen einen Stein, der mit dem chinesischen Tierkreiszeichen verbunden ist. Die Handlung kommt ins Rollen. Schließlich müssen die Minions ihren Mini-Boss retten.
In den gut 90 Minuten Spielzeit passiert unglaublich viel auf der Leinwand. Es gibt dutzende Anspielungen, Easter Eggs und versteckte Späßchen. Action und Situationskomik kommen hinzu. Der Mix macht, wie auch schon beim ersten Minionsfilm, Spaß. Viel zum Nachdenken gibt es in dem Mackwerk der Illumination-Studios nicht, das muss aber auch gar nicht sein. Eine Sache fällt aber auch bei diesem Kinderfilm wieder auf: Es gibt heute kaum noch einen großen Film, der sich nicht in irgendeinem Aspekt am asiatischen und vor allem chinesischen Markt orientiert.
So lernen die Minions diesmal auch Kung Fu. Das ist bei weitem kein Beinbruch und auch absolut kein Fehler, aber es fällt eben auf, wie sich hier die Filmlandschaft wandelt. Und das eben nicht immer zum Guten, wenn man bedenkt, wie mancher Film bereits gezielt China-unkritisch umgeschnitten wurde. Die Minions sind hier aber wie man es kennt, aus und vor von solchen Thematiken und Problemen. Sie sind die Minions. Das allein reicht für den Film aus.
It´s Kung Fu Time! Wie so viele Filme in der aktuellen Zeit, kommen auch die Minions nicht um ein paar Szenen mit Inhalten, in denen vor allem der asiatische Markt angesprochen werden soll, herum. (Quelle: moviers.net)
Was am Ende bleibt
Die "Gentleminions", sie werden uns wohl bald schon wieder verlassen. Was bleibt sind Erinnerungen an eine nette Idee, die von einigen leider auch dafür missbraucht wurde, einfach mal die Sau rauszulassen. Das ist schade, trübt das Bild des Minions-Flim als kleinen Rückzugsort vor der aktuell doch etwas düsteren Realität aber nicht. Mit Minons 2 haben Jung und Alt mit und ohne Anzug in jedem Fall ihren Spaß.
Das Phänomen der "Gentleminions" dürfte aber nicht das letzte seiner Art gewesen sein. Es bleibt zwar abzuwarten, ob sich langfristig ein Art "Verkleidungskult" in Kinos durchsetzt, allerdings gibt es bereits Entwicklungen in diese Richtung. So sahen sich manche Kinobesucher den letzten Jurassic World Film in Dinokostümnen an. Bei Top Gun 2 waren hier und da auch schon Kinogänger im Pilotenkostüm zu sehen. Kann man mal so machen.
Über den Verfasser:
Flo aka Stack (19) ist Student,
Spiele-Enthusiast, sowie Lokaljournalist.
Seit dem 16. Februar 2019 ist er
Mitglied der EGM-Community.
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