Jagganath
Ein roter Lichtblitz, dann ein leises verzweifeltes Gurgeln, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Der vertraute Geruch von Blut und verbranntem Fleisch lag in der Luft. Schon früh hatte Krux gelernt diesen Geruch zu schätzen, denn meistens bedeutete er neue Punkte für ihn. Auch diesmal war es der Fall. Genüsslich züngelte der Trandoshaner und sog den Geruch in sich auf, beobachtete wie ein Rinnsal aus Blut die Stufen der Treppe runtertropfte, bevor es an seinen Reptilienfüßen ankam und sie benetzte. Das Gurgeln des am Boden liegenden Menschen verstummte und der Rinnsal wurde zu einem reißenden Strom. Die gesamte Treppe und der Boden darunter färbten sich rot, als die Hände des Menschen erschlafften und die Wunde nichtmehr zudrückten. Langsam ging Krux in Richtung der übel zugerichteten Leiche. Der gesamte Hals war von Krux Schuss aufgerissen worden, der Großteil des Fleisches verbrannt. Lediglich die Wirbelsäule hielt den Kopf noch an Ort und Stelle. Mit einem verächtlichen Schnaub stieg Krux über die Leiche und die Treppe hoch. Er ging durch eine kleine Tür, woraufhin ihm eine Wand aus Qualm und schlechter Luft entgegenkam. Trotz der schlechten Belichtung und der dichten Nebelwand konnten Krux' Reptilienaugen deutlich ausmachen wie sämtliche Blicke zu ihm wanderten. Ohne die anderen Gäste auch nur zu beachten ging er zu einem kleinen Tisch, an dem eine blonde Menschenfrau saß und setzte sich dazu.
"Schon wieder einer von Vergus Leuten?" fragte sie mit besorgtem Gesichtsausdruck.
"Der dritte diese Woche." entgegnete Krux ruhig, während er sein Gegenüber musterte. Jaina, die Pilotin seines Schiffes der "Zählerin" wirkte beunruhigt. Etwas das ihr sonst überhaupt nicht üblich sah. In ihren blauen Augen spiegelte sich deutlich ihre Besorgnis wieder.
"Wir müssen langsam etwas dagegen unternehmen." begann der Trandoshaner. "Solange Vergu uns im Nacken hängt haben wir zu wenig Handlungsfreiraum. Ich habe da schon einige Ideen, aber dafür müssten wir erst von diesem verdammten Planeten runterkommen..."
"Ideen?" fragte Jaina interessiert. "Deine letzte Idee ist damit geendet, dass du fast alle deine Punkte verloren hast und wir unser ganzes Geld dafür ausgeben mussten um Zef wieder zusammen zu flicken..."
Krux Magen zog sich zusammen. Für einen kurzen Moment wollte er mit seiner Pranke zupacken und die Menschenfrau einmal quer durch den Raum schleudern, doch er konnte sich gerade so beherrschen. Mit wütendem Gesichtsausdruck starrte er Jaina an. "Pass auf was du sagst!"
Seitdem Krux bei dem Vorfall am Raumhafen von Coronet den Großteil seiner Punkte durch einen Jawa verloren hatte, war er schlecht auf das Thema zu sprechen. Normalerweise resultierte sowas in einem Wutausbruch, jedoch gelang es ihm in Jainas Nähe immer öfter die Fassung zu bewahren. Er wusste nicht wieso, aber ihre Anwesenheit hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. Dennoch schmerzte der Verlust von so vielen Punkten sehr. Jagganath-Punkte waren alles im Leben eines Trandoshaners. Sie bestimmten die Stellung innerhalb der Gesellschaft, waren Wichtig bei der Partnersuche und bestimmten den Status im Leben nach dem Tod. Nur indem ein Trandoshaner ihre Gottheit, "die Zählerin", zufrieden stellte, was allgemeinhin durch die Jagd nach wertvollen Zielen geschah, konnte er Punkte erwerben. Auch wenn der Begriff der Jagd bei Krux' Volk so weit gefasst war, dass im Grunde jeder Beruf der etwas nützliches hervorbrachte auch Punkte einbrachte, war Krux schon immer ein Krieger gewesen, weshalb er sich weigerte auf irgend eine andere Weise Punkte zu sammeln. Problematisch an der ganzen Sache was nur, dass es auf einem Planeten wie Corellia nur wenige würdige Ziele gab. Auch wenn ein Sieg im Kampf gegen Söldner oder ähnliches auch minimal Punkte brachte, waren dies doch bei weitem nicht genug, um Krux Konto wieder anständig zu füllen. Dementsprechend war Krux nicht in der Lage gewesen seinen Punktestand irgendwie wieder aufzufüllen. Er zwang sich einmal tief durchzuatmen und wieder runterzukommen.
"Wir brauchen Aufträge. Am besten keine die uns in zu große Schwierigkeiten bringen. Mit Vergus Söldnern im Nacken könnte das Böse enden."
"Ich dachte Schwierigkeiten wären bei uns Vorprogrammiert?"
"Spar dir deine Witze. Ich will Ideen hören!"
"Ist ja gut, ich hab ja auch schon einige Ideen." Noch beim Sprechen zog Jaina ein Datapad aus ihrer Jackentasche und legte es auf den Tisch. Nachdem sie einige Sekunden darauf herumgetippt hatte schob sie es zu Krux. Dieser schaute mit einer Mischung aus Verwirrung und Abscheu darauf. "Du weißt doch, dass ich die Dinger nicht ausstehen kann."
"Irgendwann kauf ich dir eins, dass du auch mit deinen Händen bedienen kannst." entgegnete die Pilotin sarkastisch. "Aber darum soll es jetzt nicht gehen. Schau dir einfach die Liste an!"
"Na gut." brummte Krux, während er die Liste überflog. "Schwarze Sonne, Corellianische Schnellstraße, Huttenkartell ..." er schaute von Pad auf und wieder zu Jaina. "Die Sonne können wir vergessen, nicht nach Xizors Tod. Die Schnellstraße genauso. Seit Flirry Vorru auf Kessel ist, ist der Schmuggel hier viel zu riskant. Bleibt also nur noch das Huttenkartell." Mit einem leichten Stups seiner Pranke schob Krux das Pad wieder zu seiner Kollegin. "Ich wusste nicht mal, dass die hier Einrichtungen haben, mitten auf Corellia."
„Dafür hast du ja mich.“ Stellte Jaina lächelnd fest. „Ich habe ein wenig nachgeforscht und herausgefunden, dass nach dem Zusammenbruch der schwarzen Sonne ein Hutte namens „Cravog der Schänder“ die Kontrolle über einen großen Teil von Coronets Unterwelt an sich gerissen hatte. In erster Linie beschränkte er sich auf Sklaven und Waffenhandel. Nichts Besonderes im Grunde.“ Sie holte einmal Luft bevor sie weitersprach. „Wirklich interessant wurde die Sache aber erst vor einigen Monaten. So wie es aussieht wurde Cravog gestürzt und sein Unternehmen von seinem Bruder Romanga übernommen. Er entließ alle Sklaven in die Freiheit und nutzt nun Cravogs alten Palast als Operationsbasis für seine eigenen Geschäfte. Ich bin mir nicht sicher, was genau er dort treibt, aber es wird allemal weniger Aufsehen erregen als Sklaven und Waffenhandel.“
Krux kratzte sich nachdenklich am Kinn. Er schwieg einige Sekunden und verarbeitete das gesagte. „Woher hast du die Informationen? Wir müssen sicher sein, dass dieser Romanga vertrauenswürdig ist. Wenn er mich an CorSec verrät."
"Ja ja, ich weiß. Das Thema hatten wir schon gefühlte 1000 mal. Du könntest ruhig mal ein wenig Vertrauen haben"
Krux schnaubte Wütend. "Vertrauen? Das sagt sich so einfach, wenn man nicht selber auf einer imperialen Todesliste steht." Der Trandoshaner funkelte Jaina böse an, bemühte sich dann aber wieder um einen ruhigeren Tonfall. "Was schlägst du vor?"
Der Anflug eines Lächelns breitete sich auf Jainas Gesicht aus. "Ich schlage vor wir schicken Zef voraus um Informationen zu sammeln, oder als Kontaktperson."
"Du denkst er bekommt das hin?" fragte Krux skeptisch.
"Natürlich tut er das." entgegnete Jaina selbstbewusst. "Er ist schließlich mein Bruder!"
Krux schüttelte nur missmutig den Kopf. "Bei der Geschichte in der Landebucht, hat er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert..."
Jaina erwiderte Krux Blick mit einem freundlichen Lächeln. "Er mag zwar manchmal ein wenig hilflos wirken, aber glaub mir: Zef kann durchaus auf sich selbst aufpassen."
"Das hoffe ich... Um seinetwillen" brummte Krux. Gerade als er erneut das Wort ergreifen regten sich plötzlich die anderen Gäste der Cantina. Eine Welle von Aufruhr schien herumzugehen, dicht gefolgt von unnatürlichem Schweigen. Jeder Gast in der Cantina hatte die Ohren aufgesperrt.
"Sturmtruppen!"
"Das hat ja gerade noch gefehlt." Auch Krux hörte kurz genau hin. Vom Eingang der Cantina aus, war das brummen mehrerer Leistungsstarker Hubgeneratoren zu hören, vermutlich von imperialen Truppentransportern. Dann ertönten Schritte. Ohne zu überlegen sprang Krux von seinem Stuhl auf und lief in Richtung hinterausgang.
"Kontaktier deinen Bruder. Wir treffen uns morgen am Schiff!" rief er noch zu Jaina, bevor er durch den Hinterausgang verschwand und die Tür hinter sich zu schlug. Gerade als er um die Ecke in die enge Gasse bog spürte er wie der kalte Stahl eines Blasters sich in seinen Rücken bohrte.
Danke fürs lesen. Teil zwei kommt bald.
Haze